
Für die meisten Menschen beginnt der Urlaub, sobald sie das Flugzeug betreten haben, die Triebwerke starten und der Film mit den Sicherheitshinweisen an Bord beginnt. Doch gerade dieser oft stundenlange Flug stellt für viele Rollstuhlfahrer eine schier unüberwindbare Hürde dar. Neben den engen, unbequemen Sitzen sind die Toiletten das Hauptproblem. Nur die großen Maschinen verfügen über eine Behindertentoilette mit breiteren Türen oder ausklappbaren Seitenwänden. Der Cabinwheelchair, der nur bei Langstreckenflügen an Bord ist, hat die Rollen unter dem Stuhl und kann nur mit Hilfe angeschoben und festgestellt werden. Außerdem befinden sich die Toiletten stets in exponierter Lage, sodass der Transfer auf die Schüssel für alle Mitreisenden neben dem Hauptfilm zur unverhofften Attraktion wird.
Was soll man als Rollstuhlreisender also tun? Mit dem Zug oder Schiff fahren? Das ist außerhalb von Mitteleuropa ohne behindertengerecht eingerichtete Waggons bzw. Kabinen auch keine Alternative, dauert außerdem viel länger und ist erheblich teurer. Keine Fernreisen machen? Kommt für echte Weltreisende nicht in Frage! Also… ?
Hier sind ein paar Tipps, wie man die größten Schwierigkeiten beim Fliegen überwindet:
1. Unbedingt vorher anmelden
Schwerbehinderte, die beim Betreten des Flugzeugs oder während des Flugs Hilfe benötigen, sollten sich bis spätestens 48 Stunden vor Abflug bei der Fluggesellschaft melden. In der Regel ist es mit einem kurzen Anruf und Abgaben über Art und Maße des Rollstuhls getan. Man sollte auf eine schriftliche Bestätigung beharren, auch wenn einige Airlines, wie z.B. Lufthansa die schriftliche Bestätigung verweigern.
Mehrstopflüge
Unverständlicher Weise sind die Airlines, bei denen man gebucht hat, in der Regel nicht gewillt, bei Flügen mit mehreren Stops und Weiterflügen in Flugzeugen anderer Airlines, die Informationen an diese weiterzugeben. Man muss also jede Airline einzeln kontaktieren.
Kurz- und Mittelstreckenflüge
Auf Kurz- und Mittelstreckenflügen gibt es so gut wie nie einen Kabinenrollstuhl an Bord. D.h. wer nicht über den Flur robben oder doch einige Schritte gehen kann, kommt nicht aufs Klo. Dann hilft nur, vorher aufs Klo gehen, keine harntreibenden Getränke zu sich nehmen und hoffen…
Die Direktflug-Lüge
Für viele Rollstuhlfahrer ist vor allem der Transfer in und aus dem Flugzeug der beschwerlichste Teil der Reise. Daher versuchen sie möglichst einen Flug ohne Zwischenstops zu buchen. Aber Achtung: „Direktflug“ bedeutet nicht, dass es sich um einen Non-Stop-Flug handelt, sondern nur, dass man mit der gleichen Maschine weiterfliegt. D.h. es kann während dem Flug mehrere Stops geben, bei denen man in der Regel auch das Flugzeug verlassen muss. Deswegen immer vor der Buchung abfragen, ob auf dem Flug Zwischenlandungen vorgesehen sind. Nur ein ausgewiesener „Non-Stop-Flug“ hat keine Zwischenlandungen. Die Bezeichnung „Direktflug“ ist meiner Meinung nach ein reiner Marketingausdruck und der bewusste Versuch der Airlines, die Kunden zu täuschen.
2. Beim Checkin

Bei Auslandsreisen sollte man 2 Stunden vor Abflug am Flughafen sein, bei Inlandsreisen reichen 90 Min
uten. Auch wenn man sich vorab telefonisch angemeldet hat, ist es dennoch wichtig, beim Checkin nochmals darauf hinzuweisen, welche Hilfe man zum Betreten und Verlassen des Flugzeugs benötigt.
Wenn du einen eigenen Rollstuhl mitführst, lass ihn mit einem Gepäcklabel versehen und am Rolli ankleben. Nur so kann er bei eventuellem Verlust nachverfolgt werden.
Vergewissere dich, dass das Bodenpersonal bei der Beauftragung des Services die richtigen Kürzel verwendet:
- WCHR – Wheelchair Ramp: Hilfe bis zum Flugzeug – kann Treppen gehen.
- WCHS – Wheelchair Steps: Hilfe bis zur Flugzeugtür – kann zum Sitzplatz gehen.
- WCHC – Wheelchair Cabin: Hilfe bis zum Sitzplatz – kann nicht alleine gehen.
- BLND – DEAF – DEAF/MUTE: Der Fluggast ist blind – taub – taubstumm.
- WCMP – Wheelchair Manual Power: Handbetriebener Rollstuhl mit Maßangabe.
- WCBD – Wheelchair Battery Dry: Batteriebetriebener Rollstuhl mit nicht auslaufender Gel- oder Trockenbatterie.
4. Während des Flugs
Jeder muss sich auf einem Langstreckenflug irgendwann mal erleichtern. Am besten weist du schon beim Boarding darauf hin, dass du später Hilfe für den Transfer zur Toilette benötigen wirst. Das hilft dem Personal an Bord, einen geeignete Kollegen dafür einzuteilen.
Nutze möglichst die „Nachtstunden“, in denen das Licht abgedunkelt ist, für den Toilettenbesuch. Das reduziert schon mal erheblich dein Publikum.
Oft ist die Benutzung einer Urinflasche unter der Decke am Sitzplatz unbeschwerlicher und unauffälliger, als sich von zwei Stewards durchs halbe Flugzeug zerren zu lassen.
3. Vor der Landung
Weise das Bordpersonal eindringlich darauf hin, dass sichergestellt werden muss, dass der Rollstuhl direkt an die Kabine gebracht wird. In der Regel kommt er nämlich sonst auf das Transportband mit dem restlichen Reisegepäck, was erstens den Rollstuhl beschädigen kann und zweitens den Rollstuhlfahrer bis dorthin in einen oft sehr unbequemen und wackeligen Rollstuhl des Flughafens zwingt.
4. Nach der Landung
Du wirst immer als letzter aus dem Flugzeug geholt. Bitte das Bordpersonal, schon mal nachzusehen, ob jemand zur Abholung mit deinem Rollstuhl bereitsteht.Es ist sinnvoll, sich bis zum Ausgang des Flughafens oder zum Weiterflug begleiten zu lassen. Erstens kennt die Begleitperson in der Regel den ebenerdigsten Weg und kann die Prozedur bei der Passkontrolle oft beschleunigen. In ärmeren Ländern freuen sich diese Assistenten sehr über Trinkgeld, da sie meist sehr schlecht bezahlt werden.
Fazit
In der Tat ist Fliegen mit dem Rollstuhl bis heute nicht wirklich ein Spaß. Aber unmöglich ist es auch nicht. Und je mehr Rollstuhlfahrer fliegen, desto mehr werden sich die Airlines darauf einstellen müssen. Behinderte Menschen sind schließlich Teil der Gesellschaft – auf dem Boden UND in der Luft!
Gerne weise ich noch auf den sehr engagierten Blogger Kay Macquarrie hin, der mit seinem Blog www.recht-auf-klo.de erreichen will, dass alle Airlines behindertengerechte Toiletten in ihre Flugzeuge einbauen.
Hilfreiche Links zum Thema „Fliegen mit Rollstuhl“:
http://www.rechtaufklo.de/fliegen-mit-rollstuhl/
http://www.rolli-flugreisen.de/
http://www.myhandicap.de/fliegen_behinderte_info.html
http://mobilista.eu/54/fliegen-mit-rollstuhl-oder-anderen-behinderungen/
http://www.youtube.com/watch?v=vNfmvotCI1w – zeigt deutlich die Schwierigkeiten auf Bordtoiletten.
http://www.youtube.com/watch?v=bbfWIZm-P1c – Video über einen Tetraplegiker, der sehr „behände“ eine Bordtoilette aufsucht.