
Im November 2013 haben wir in Kuba einen Monat verbracht und sind mit dem Rollstuhl herumgereist. Zwar haben wir auf der Reise leider keine anderen Rollstuhlreisenden getroffen, uns fiel aber auf, dass hier behinderte Menschen wie in Deutschland zum Straßenbild gehören. Eine Organisation namens AKLIFIM kümmert sich um die Inklusion und Integration von körperlich und geistig behinderten Menschen in Kuba. Allgemein hat Kuba durch seine politische Ausrichtung einen stärkeren Fokus auf soziales Engagement. Das bedeutet aber nicht, dass das Land perfekt rollstuhlgerecht wäre. Hier kommt also eine Zusammenfassung unserer Erfahrungen.
Wie rollstuhlgerecht ist Kuba?
Folgend werden in verschiedenen Kategorien Punkte von 1 (sehr schlecht) bis 10 (hervorragend) vergeben.
Transport – 5 Punkte
Dank eines großzügigen Geschenks der kanadischen Regierung verfügt der Flughafen von Havanna über ein Terminal westlichen Standards mit Fingern, die direkt an das Flugzeug reichen. Ein Kabinenrollstuhl ist ebenfalls vorhanden. Dies ist aber nicht bei allen Inlandsflügen gegeben, man sollte sich also vorab informieren. Die Busse in Havanna sind zwar rollstuhlgerecht, allerdings in der Regel so voll, dass ein Einsteigen nicht möglich ist. Andere öffentliche Transportmittel wie Bicitaxi (selbstgebaute Dreirad-Fahrräder) oder die motorisierten, dreirädrigen Coco-Taxis sind sicher nur eine Option für Rollstuhlfahrer, die sich selbstständig umsetzen oder kurz stehen können.
Das Bussystem in Cuba ist sehr gut ausgebaut, aber nicht für Rollstuhlfahrer geeignet, weil man hohe, schmale Stufen überwinden muss. Wir haben die Insel mit privaten Taxis erkundet. Die wunderschönen Oldtimer haben meistens einen etwas höheren Einstieg, sehr weiche Sitze und keinen Sicherheitsgurt. Es gibt aber auch modernere Taxis, generell sind Überlandfahrten vergleichsweise teuer, der Preis ist Verhandlungssache.
Infrastruktur – 5 Punkte
Die Straßen in Kuba sind viel besser als ihr Ruf. Der Asphalt ist in gutem Zustand, Schlaglöcher meistens mit Schotter aufgefüllt. In vielen Städten gibt es Gehsteige, in Havanna an vielen Kreuzungen sogar Rampen. Die meisten Museen sind in historischen Gebäuden untergebracht und daher nur eingeschränkt für Rollstühle zugänglich. Wo Rampen fehlen, helfen die Kubaner sofort tatkräftig mit. Lediglich die Altstadt von Trinidad ist wirklich nur etwas für sehr Hartgesottene. Die Straßen sind steil, das Jahrhunderte alte Kopfsteinpflaster für Rollifahrer und Schieber eine Tortur. Die Gehsteige waren schmal, schief und stufig.
Hotels – 7 Punkte
Es gibt zwei Kategorien von Hotels, die über vollständig behindertengerechte Zimmer verfügen: 5-Sterne-Hotels und Resorts, die nur von Ausländern genutzt werden. Wären wir in solchen Unterkünften abgestiegen, wäre unsere Reise aus Geldgründen sehr viel kürzer ausgefallen. Eine gute Alternative sind die sogenannten Casas Particulares, Privatunterkünfte, die für zwei Personen ohne Frühstück in der Regel 25 Convertibles kosten (etwa 18 Euro). Viele bieten auch Frühstück und Abendessen an, das oft erheblich besser schmeckt, als die Gerichte, die in staatlichen Unterkünften angeboten werden. Der größte Vorteil aber ist, dass man inmitten einer kubanischen Familie lebt und so Land und Leute viel besser kennenlernen kann. Die Vermieter sind es gewohnt, bei Fragen zu Sehenswürdigkeiten oder Transport zu helfen und organisierten für uns in vielen Fällen auch gleich die nächste Unterkunft.
Fast immer sind die Bäder sehr klein und haben eine Stufe an der Tür. Da aber jede Casa anders geschnitten ist, findet man in der Regel irgendwann eine für die eigenen Bedürfnisse passende Bleibe. Um anderen die mühsame Suche zu ersparen, haben wir unter www.reisenmitrollstuhl.de mehrere Casas Particulares eingestellt und deren Räumlichkeiten genau beschrieben.
Essen & Trinken – 7 Punkte
Mit der allmählichen Öffnung gegenüber dem internationalen Tourismus halten in Kuba auch liberalere Gesetze für private Restaurants Einzug. Dies führte in den letzten Jahren zu einem Qualitätssprung in der kubanischen Gastronomie. Zwar sind die Speisekarten aufgrund von Beschaffungsproblemen oft noch sehr eintönig, jedoch bringen immer mehr Lokale wirklich außergewöhnlich gute Speisen auf den Tisch. So hatten wir beispielsweise in Viñales ein hervorragendes italienisches Abendessen im „La Oliva“.
Die Casas Particulares servieren einfache, aber sehr schmackhafte und gesunde Kost: Huhn, Languste, Garnelen oder gebratenen Fisch, dazu Reis und Bohnen als Standardbeilage, oft ergänzt durch viel frisches Obst und Salate. Die Portionen sind oft riesig, so dass wir nur zweimal am Tag gegessen haben. Auch wenn es einem nach einigen Casa-Aufenthalten so vorkommt, als kochten alle aus ein und demselben Kochbuch, so fügen doch viele der Landladies ihrem Menü noch die ein oder andere Besonderheit (wie feine Muschelsuppe oder Pancakes zum Frühstück) hinzu. Um ehrlich zu sein, fühlten wir uns allerdings nach den vier Wochen auf Kuba beim ersten Abendessen in einem Flughafenrestaurant in Mexiko City wie in einem Haubenlokal.
Sicherheit – 10 Punkte
Aufgrund von Stromknappheit fällt selbst in Großstädten die Fahrbahnbeleuchtung teilweise aus, so dass manche Straßenzüge stockfinster sind. Da die meisten Bicitaxis und auch manche Oldtimer unbeleuchtet fahren, muss man als Fußgänger und Rollstuhlfahrer nachts auf der Straße sehr vorsichtig sein. Sonst ist aus den finsteren Ecken und Nischen aber wenig zu befürchten. Die Kriminalität in Kuba ist im Vergleich zu westlichen Ländern kaum messbar – wirklich ein Wunder, wenn man bedenkt, dass Exilkubaner und Touristen täglich kubanische Monatsgehälter in Restaurants und Shops ausgeben. Vereinzelt kommt es wohl zu Taschendiebstählen an sehr touristischen Orten. Da fast alle Preise festgelegt sind, wird nicht gehandelt (eine Ausnahme sind Taxifahrten) und somit auch selten beim Preis betrogen. Vor allem zu Beginn der Reise kann man aber leicht mit den beiden unterschiedlichen Währungen (Peso nacional und Convertible) durcheinanderkommen. Wer dann aus Versehen statt dem einfachen Peso-Preis das 25-fache in Convertibles zahlt, wird nicht unbedingt immer auf seinen Fehler aufmerksam gemacht…
Sehenswürdigkeiten – 7 Punkte
Zwar gibt es in Kuba eine Organisation (Aklifim), die sich um die Integration behinderter Menschen kümmert, jedoch scheint sie bei staatlichen Stellen noch nicht so weit vorgedrungen zu sein, dass auch Sehenswürdigkeiten barrierefrei gestaltet werden. Hier helfen die wirklich außergewöhnlich hilfsbereiten Kubaner weiter, die mich beispielsweise durch die halbe Altstadt von Trinidad geschoben haben, was bei dem holprigen Bodenbelag wirklicher Schwerstarbeit entsprach. Da viele Museen in historischen Gebäuden untergebracht sind, ist die Besichtigung für Rollstuhlfahrer oft nur eingeschränkt bis gar nicht möglich. Die Eintrittspreise sind oft so niedrig, dass es keine Rolle spielt, dass für Behinderte selten Rabatt gewährt wird. Hauptsehenswürdigkeit ist aber die fantastische Natur, die gut mit dem Auto erkundet werden kann.
Gesundheitsversorgung – 8 Punkte
In jeder größeren Stadt gibt es sogenannte Farmacias internacionales, in dem nur Ausländer einkaufen können. Dennoch kann man hier kein Sortiment wie in einer westlichen Apotheke erwarten. Wer regelmäßig Medikamente nehmen muss, sollte sie in ausreichender Menge mit sich führen. Selbst „destilliertes Wasser“, dass ich für mein Atemgerät benötige, gab es in ganz Kuba nicht zu kaufen.
Die ärztliche Versorgung ist sonst sehr gut, das Gesundheitssystem ist kostenlos und die Medizin auf dem neuesten Stand, die Ärzte sind sehr gut ausgebildet und sprechen häufig Englisch. Wer wegen Durchfall-Beschwerden ins Krankenhaus geht, wird standardmäßig 12 Stunden dort behalten, um eine Cholerainfektion ausschließen zu können. Falls man das vermeiden will, kann man sich auch vom Hotel zu einem der niedergelassenen Ärzte fahren lassen, die in der Regel ebenfalls gute Diagnostiker sind.
Umgang mit Behinderten – 10 Punkte
Selten haben wir so hilfsbereite Menschen wie in Kuba getroffen. Da wäre zum Beispiel der Taxifahrer Leonardo, der mir versprach: „Du wirst in Viñales alles machen können, was Menschen, die nicht im Rollstuhl sitzen, auch machen.“ Und so hieften mich sechs Leute in ein Boot für eine Höhlenexkursion und für den Ausritt mit meiner Schwester wurde ich samt Rollstuhl auf einen Pferdekarren geschnallt. Auch auf der restlichen Reise waren beim Überwinden von Stufen, Treppen, hohen Bordsteinen etc. immer sofort Passanten bereit zu helfen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Die Sorge um Hilfsbedürftige geht sogar so weit, dass mich die gut 80 Jahre alte, etwa 1,40 m große Señora aus dem Nachbarhaus abends auf der Straße vor den „diebischen Jugendlichen“ beschützen wollte, während ich auf meine Schwester wartete…
Unser Fazit:
Kuba ist definitiv geeignet für Rollstuhlreisende – nicht unbedingt wegen der Infrastruktur, aber vor allem wegen der hilfsbereiten und gastfreundlichen Kubaner, die unseren einmonatigen Aufenthalt zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht haben.